Jurybegründung

Der Straelener Übersetzerpreis 2020 der Kunststiftung NRW geht an Hans-Christian Oeser für seine meisterhafte Übersetzung von Sebastian Barrys Roman Tage ohne Ende aus dem Englischen, erschienen 2018 im Steidl Verlag. Der Preis würdigt zugleich Oesers übersetzerisches Lebenswerk, zu dem u. a. Übersetzungen von Autoren wie Maeve Brennan, Christopher Isherwood und Mark Twain gehören.

In Sebastian Barrys Roman erleben der Erzähler Thomas McNulty, ein irischer Einwanderer, und sein Freund und Partner John Cole als Soldaten in den Indianerkriegen und dem amerikanischen Bürgerkrieg exzessive Grausamkeit und existentielle Verlorenheit. Für diese brutal-poetische Ich-Aussprache, gehalten in einem scheinbar mündlichen Kunstidiom, findet Hans-Christian Oeser in seiner Übersetzung einen dynamischen Stil von großer Musikalität, oszillierend zwischen sarkastischer Lakonie, treffender Härte und zartester Lyrik, der immer wieder Menschlichkeit aufscheinen lässt.

Der Förderpreis geht an André Hansen für seine Übersetzung des Romans von Mahir Guven, Zwei Brüder, aus dem Französischen (Aufbau Verlag 2019). Die Jury überzeugte vor allem seine mutige und einfallsreiche Übertragung umgangssprachlicher Register. In den beiden Erzählstimmen der titelgebenden Brüder mischen sich diverse migrantisch geprägte Substrate, von religiösen Diskursen über Jugendsprache und Taxifahrerjargon bis hin zum Rap. Hansens Übersetzung gibt diese Stimmen glaubwürdig und geschmeidig wieder.

 

Der Jury gehörten an: Sieglinde Geisel, Marianne Gareis, Christiane Körner, Paul Berf und Luis Ruby