Grußwort Jury

Immer, wenn ich mich – aus Richtung Köln kommend – Straelen nähere, wird nach dem Verlassen der Autobahn die unmittelbare Nachbarschaft der Niederlande mit jedem Kilometer fühlbarer: die Landschaft, die Häuser (jedenfalls bis Baujahr 1970), das alles erinnert mich sehr an die Gegend an derselben Grenze, aus der ich stamme, und die – auch weil sie bis August 1963 unter niederländischer Verwaltung stand – ebenfalls ein solches „Übergangsgebiet“ ist, aus dem vermutlich irgendwann einmal, an allen Sprachgrenzen, die ersten Übersetzer kamen: Menschen, die zweisprachig aufgewachsen waren und zwischen den nur einsprachigen vermitteln konnten.

Als ich vor einigen Monaten erfuhr, dass der diesjährige „Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW“ in die Niederlande vergeben werden sollte, da schien mir dies eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Entscheidung zu sein. Naheliegend nicht nur für Straelen, sondern auf für das Bundesland Nordrhein-Westfalen, das auf vielen Ebenen in einem intensiven Austausch mit unseren westlichen Nachbarn steht.

Positiv überrascht wurde ich beim Zusammentragen der ins Niederländische übersetzten deutschen Titel, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine solche Vielzahl von Büchern deutscher Autoren das Interesse niederländischer Verlage findet. Aber als Übersetzer aus dem Niederländischen schaue ich auch eher in die andere Richtung. Meine Mitjuroren waren bestimmt weniger verwundert. Barbara Honrath leitete bis vor wenigen wenigen Monaten das Goethe-Institut in Amsterdam und war daher sehr intensiv mit der Vermittlung deutscher Literatur befasst. Und Ton Naaijkens hat an der Universität Utrecht einen Lehrstuhl für Germanistik inne, der auch Übersetzungswissenschaft mit einschließt.Weniger überraschend war die Qualität der Übersetzungen, die wir am Ende einer längeren Diskussion in die engere Auswahl nahmen, denn die Niederlande bieten Übersetzern nicht nur sehr gute universitäre Aus- und Weiterbildungsbildungsmöglichkeiten, sondern sie verfügen auch über ein gut ausgebautes Stipendiensystem, dass es Übersetzerinnen und Übersetzern ermöglicht, auch anspruchsvollste Projekte zu verwirklichen.

Obwohl wir, wie gesagt, fast ausschließlich sehr gute Übersetzungen vorgefunden haben, fielen der Jury die Entscheidungen am Ende nicht schwer, da wir ihr jeweils zwei Kriterien für die Preisvergabe zu Grunde gelegt haben. Für den Hauptpreis sind das eine hervorragende aktuelle Übersetzung und ein qualitativ hochwertiges, reiches übersetzerisches Gesamtwerk. Diese Kriterien erfüllte Gerrit Bussink wie kein zweiter. Anne Folkertsma überzeugte die Jury nicht nur durch ihre Arbeiten, sondern auch durch ihr vielversprechendes und förderungswürdiges Talent, das daraus spricht.

Ich danke der Kunststiftung NRW im Namen der Jury dafür, dass sie es uns ermöglicht hat, Gerrit Bussink und Anne Folkertsma für ihre hervorragende Arbeit auszuzeichnen. Ich danke dem Europäischen Übersetzer-Kollegium für die logistische Unterstützung der Juryarbeit und die herzliche Gastlichkeit, die wir bei der Jurysitzung hier in Straelen genießen durften.Ich danke Uwe Timm dafür, dass er den weiten Weg an den Niederrhein auf sich genommen hat.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Gregor Seferens)