Begrüßung Claus Sprick

Sehr geehrte Damen und Herren,Es ist mir eine große Freude, an erster Stelle unsere diesjährigen Preisträgerinnen, Dr. Brigitte Döbert und Christine Ammann, und den Autor Bora Ćosić zu begrüßen.
Ebenso herzlich heiße ich die Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, Frau Dr. Ursula Sinnreich,
die Referatsleiterin Literatur im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW, Frau Beate Möllers,
Herrn Bürgermeister  Hans-Josef Linßen als Vertreter der Stadt Straelen,
Frau stellvertretende Landrätin Sigrid Eicker als Vertreterin des Kreises Kleve
und die Landtagsabgeordnete Frau Ingola Schmitz willkommen,
ferner Frau Dr. Alida Bremer als Laudatorin und Ulrich Blumenbach, Jürgen Dormagen, Kristof Magnusson, Rosemarie Tietze und Jan Wiele als Mitglieder der Jury
sowie den Leiter des Schöffling Verlages, Herrn Klaus Schöffling
und natürlich auch Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Förderer, Freunde und Gäste des EÜK, sowie die Vertreter der Presse.

Sie werden sich erinnern, dass am 31. Dezember 1999 wie verrückt  geknallt und gefeiert wurde, weil die Leute dachten, um Mitternacht würde mit dem Jahr 2000 ein neues Jahrtausend anbrechen – oder wegen des Millenium-Bugs kein Computer mehr funktionieren. Beides war Unfug. Erst das Jahr 2001 brachte den Durchbruch, denn erst mit ihm begann das dritte Jahrtausend nach Christus und, wichtiger noch, die Geschichte des Straelener Übersetzerpreises.

Dieser Preis der Kunststiftung NRW wird seitdem für bedeutende übersetzerische Leistungen unter Berücksichtigung des Lebenswerks des oder der Ausgezeichneten verliehen, und zwar in diesem Jahr turnusmäßig wieder für eine Übersetzung aus einer fremden Sprache, nämlich der serbischen, ins Deutsche. Er ist mit 25.000 Euro dotiert und zählt zu den angesehensten Preisen für literarische Übersetzungen weltweit.
Ihm zur Seite steht seit 2012 der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis, der diesmal für eine herausragende Übersetzung aus dem Amerikanischen verliehen wird.

Beide Preise sind zugleich Ausdruck der jahrelangen Bemühungen eines ungleichen, aber bewährten Gespanns, nämlich des kleinen, aber feinen Europäischen Übersetzer-Kollegiums und der großen, feinen Kunststiftung NRW, die allerdings, wenn ich auch das mal sagen darf, 11 Jahre jünger ist als das EÜK – deswegen von einem „Juniorpartner“ zu sprechen verkneife ich mir aber. Vielmehr möchte ich mich im Namen des EÜK ganz herzlich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit in all diesen Jahren und die ganz besondere Wertschätzung und Begeisterung bedanken, die die Kunststiftung der literarischen Übersetzung entgegenbringt, und zwar um so mehr, als die Kunststiftung ihr Engagement in den letzten Jahren kontinuierlich verstärkt und die literarische Übersetzung zu einem ihrer großen Förderschwerpunkte gemacht hat: dem verdanken wir auch die Straelener Atriumsgespräche, bei denen eine Schriftstellerin oder ein Schriftsteller mit den Übersetzerinnen oder Übersetzern eines aktuellen Werks über mehrere Tage zusammenarbeiten kann, diverse mehrtätige Seminare und Werkstätten sowie Aufenthaltsstipendien im EÜK und individuelle Arbeitsstipendien für besonders anspruchsvolle Übersetzungen.

Wir sind dafür besonders dankbar, weil diese Förderung – mit den eigenen Worten der Kunststiftung – von der Überzeugung getragen wird, dass nur gelungene Übersetzungen literarischer Texte die Begegnung mit Weltliteratur, die Einfühlung in das Fremde und einen intensiven, internationalen Austausch zwischen den Kulturen ermöglichen.

Wir freuen uns, dass dieses Bekenntnis und die heutige Preisverleihung auch durch das Medienecho, das wir uns davon erhoffen, unser Anliegen erneut einem größeren Publikum näherbringt.
Unser Dank gilt aber auch der Jury, die aus insgesamt siebzig Bewerbungen erfreulich hoher Qualität mit kundiger Hand zwei ganz herausragende Übersetzungen ausgewählt hat.
Das größte Verdienst kommt freilich unseren beiden Preisträgerinnen zu, denn sie und ihre Übersetzungen sind es, denen unsere heutige Feierstunde gilt:

Brigitte Döbert, die seit 1996 aus dem Englischen, Bosnischen, Kroatischen und Serbischen übersetzt, erhält den Straelener Übersetzerpreis für ihr Lebenswerk und ihre Übersetzung des fast 800 Seiten umfassenden Epos „Die Tutoren“ des 1932 geborenen serbischen Autors Bora Ćosić, der in der Entstehungszeit dieses Buches in seiner Heimat mit einem Veröffentlichungsverbot belegt war.

Es ist mir unmöglich, dieses Mammutwerk auch nur zu beschreiben. Das ist aber auch nicht nötig, denn Jürgen Dormagen wird noch begründen, warum die Jury sich für diese Übersetzung entschieden hat, der Autor und die Übersetzerin werden gemeinsam – eine Premiere für uns! – aus dem Werk lesen, und Frau Dr. Alida Bremer wird uns in ihrer Laudatio wissen lassen, warum wir uns glücklich schätzen dürfen, dass dieses Buch, das lange als unübersetzbar galt, nun doch auf Deutsch vorliegt.

Dieser Ansicht war übrigens auch die Jury des Leipziger Übersetzer-Preises, die ihre Entscheidung, Brigitte Döbert für diese Übersetzung auf der Leipziger Buchmesse auszuzeichnen, am 17. März 2016 bekanntgab – ich lege aber verständlicherweise Wert auf die Feststellung, dass die Entscheidung unserer Jury schon am 3. März getroffen und am 8. März bekanntgegeben worden war.

Den Förderpreis erhält dieses Jahr Christine Ammann, die seit 1998 aus dem Italienischen und Englischen übersetzt, für ihre Übersetzung „Das verborgene Leben des Waldes“ des in England geborenen amerikanischen Autors und Biologen David G. Haskell. Dieses Buch ist eine akribische und liebevolle Beschreibung eines Waldes in Tennessee, genauer gesagt eines einzigen Quadratmeters dieses Waldes, den Haskell ein Jahr lang geduldig mit Kamera und Lupe beobachtet hat. Dieser Blick auf das Allerkleinste ist der Arbeit des Übersetzens nicht unähnlich – auch sie kann nur gelingen, wenn die Wortgeflechte jeder einzelnen Seite geduldig und akribisch untersucht werden, ehe man sie in einer anderen Sprache so nachwachsen lässt, dass das in ihnen verborgene Leben eine neue Heimat findet.

In diesem Sinne ist auch das Europäische Übersetzerkollegium ein intellektuelles Biotop, denn es ist seit vielen Jahren die Heimat der Übersetzerinnen und Übersetzer und bereichert die Blumenstadt Straelen um einen literarischen Orchideengarten. Heute können wir wieder zwei preisgekrönte Orchideen bewundern und feiern, und ich darf nun Jürgen Dormagen bitten, deren Auswahl durch die Jury zu erläutern.