Grußwort Ulrich Blumenbach
Formidable Leuchtkörper
Zu Jan Schönherrs Übersetzung von Francis Spufford
Francis Spuffords Roman Neu-York, für dessen Übersetzung wir Jan Schönherr mit dem Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis auszeichnen, spielt im Jahr 1746. Ein Engländer kommt in geheimnisvoller Mission nach New York, besucht Kaffeehäuser, spielt Theater, wird bestohlen, landet im Schuldturm, übersteht lebensgefährliche Saturnalien, flieht über die Dächer der Stadt, muss sich einem Duell stellen und so weiter und so fort: ein unglaublich rasanter, sprudelnd erzählter und ganz einfach gutgelaunter Roman.
Warum hat Jan Schönherrs Übersetzung uns so beeindruckt? In Shakespeares Sonett Nr. 76 steht der Vers “So all my best is dressing old words new”. Übersetzt man diesen Vers wie Walther Freund mit “So kann ich neu nur kleiden altes Wort”, dann verwendet der Übersetzer neue Worte für alte. Das ist das Verfahren, mit dem klassische Texte neu übersetzt werden. Man kann den Shakespeare-Vers aber auch wie Christa Schuenke übersetzen: „Den alten Wörtern leih ich neue Zier“. Dann nimmt man alte Wörter und lässt sie neu erstrahlen. Jan hat sich für diese Simulation des Alten entschieden, denn sein Roman ist zwar 2016 erschienen, sein Autor ahmt aber die Schachtelsätze, den Rhythmus und die Polyphonie von Henry Fielding, Tobias Smollett und Lawrence Sterne nach, den fabulierfreudigen und ironischen englischen Erzählern des 18. Jahrhunderts. Auch Jan hat sein Sprachgewand à la mode der deutschen Literatur um die Mitte des 18. Jahrhunderts drapiert, ist mit bewundernswerter historischer Spürlust vorgegangen und hat Bilder erschaffen, die an die Metaphernlust eines Jean Paul erinnern, wenn er etwa ein Lächeln beschreibt, „welches aufgrund spärlichen Gebrauchs wohl des Ölkännchens bedurft hätte, damit die rostigen Kiefer wieder geschmeidig würden“. Erwähnt sei auch gerne, dass sowohl der Autor als auch sein Übersetzer charmant und augenzwinkernd Anachronismen einstreuen, wenn etwa eine historisch belegte Hinrichtung um dreißig Jahre verlegt wird, damit eine Nebenfigur zu ihr beigetragen haben kann, oder wenn eine Figur in der Übersetzung plötzlich jemandem ‚einen Knopf an die Backe redet’.
Jan hat uns und hoffentlich auch vielen von Ihnen einen unglaublich sinnlichen und farbenfrohen Sprachrausch beschert, für den ich ihm einfach dankbar bin, und ich bin wahnsinnig froh, dass wir ihn mit dem Förderpreis auszeichnen, damit er das bitteschön auch weiterhin immer wieder tut.