
Aufbau
Dr. Regina Peeters - Eine Bibliothek für Babel?
„Literarische Übersetzerinnen und Übersetzer bilden eine spezifische Benutzergruppe in Bibliotheken. Anders als die meisten Benutzerinnen und Benutzer interessieren sie sich nicht für ein klar definiertes Fachgebiet oder einen bestimmten Themenkreis. Ihre Recherchen decken fast den gesamten Wissenskosmos ab: je nach der im Roman abgebildeten - oder konstituierten - Wirklichkeit müssen sie sich in verschiedenste Fachsprachen einarbeiten, Sachverhalte aus allen Kultur- und Lebensbereichen klären, Zitate aus unterschiedlichsten Quellen ermitteln und bibliographische Angaben überprüfen. Erschwerend kommt hinzu, dass Literatur oft rascher auf soziale, technische und kulturelle Veränderungen reagiert als traditionelle Nachschlagewerke: oft prägt gerade ein literarisches Werk neue Begriffe, für die es in anderen Sprachen noch keine Äquivalente gibt - das reicht von Goethes "Wahlverwandtschaften" bis zu Douglas Couplands Neologismen wie "McJob" oder "Generation X".
Eine übersetzerspezifische Bibliothek nimmt somit eine Zwitterstellung ein: einerseits muss sie hinsichtlich ihres Sammelgebiets wie eine Universalbibliothek alle Wissensgebiete berücksichtigen; andererseits muss sie eine Spezialbibliothek sein, was ihre Ausrichtung auf die Bedürfnisse einer spezifischen Zielgruppe, was die Aktualität der Bestände, die Intensität ihrer Erschließung und nicht zuletzt, was die Formen des gesammelten Materials betrifft. Digitale Medien erweisen sich vor allem bei punktuellen Informationsbedürfnissen als effizientes Recherchemittel. Das Internet kann jedoch nur ein Teil eines komplementär angelegten Systems der Informationsvermittlung in einer übersetzerspezifischen Bibliothek sein, das auf der anderen Seite auf dem traditionellen Bibliotheksbestand fußt. Dessen Vorteile - gesicherte und authentisierte Informationen, eine auf den Kontext hin ausgerichtete Suche, ein ständig bereitstehender, von technischen Bedingungen unabhängiger Bestand - werden zumindest mittelfristig konkurrenzlos bleiben.“